Ära Carl und Anna Waldhecker

1910 bis 1955

Carl und Anna Waldhecker

Kolonialwarenhandel - Bäckerei - Gastwirtschaft

Carl Waldhecker

geb. am 25. August 1886

besuchte die "Höhere Privatschule zu Oerlinghausen". Danach erlernte er die Backkunst beim

Conditormeister Carl Henning in Lage.

Anna Waldhecker

geb. Wisnieswki, geb. am 9. März  1889

erlernte die Kochkunst als Hauswirtschafterin in einer Schlossküche in Westfalen

und im Kaiserhof in Bielefeld.

Der gemeinsame Start im Landgasthaus Alter Krug Helpup erfolgte 1912 in einem

für uns heute nicht mehr vorstellbarem technischen Zeitalter ohne Strom und Telefon.

Die Beleuchtung erfolgte nur mit selbsterzeugtem Acetylengas und Petroliumlampen.

Der tägliche Wasserbedarf wurde  aus dem hauseigenen Braubrunnen gewonnen.

Der Backofen für die Bäckerei und ein extra Kohlenkeller war im Kellerbereich unterhalb vom Laden und Flurbereich. Des Weiteren war Platz im Keller für große Mengen Kartoffeln und weiteren Nahrungsmitteln sowie Getränken, vor allem Weinflaschen.

Die Versorgung der Theke erfolgte aus zwei weiteren Kellerräumen unterhalb des Schankraumes.

Ein weiterer großer Keller befindet sich unterhalb des Vorsaales. Dieser Keller mit Zugang

zum Garten wurde bis in die 1930er Jahre für Veranstaltungen genutzt.

Danach diente er als Bananenkeller für die Reifung der Bananen vom Händler Högermann.

Beendet wurde die Epoche Karl und Anna Waldhecker 1955 im hochtechnologie Zeitalter.

2. Pfingsttag 1913

Großes Instrumental-Konzert in der Krugwirtschaft Alter Krug

Für dieses Großereignis wurden

500 Plätze im Haus und 500 Plätze im Wirtschaftsgarten bereitgestellt.

In großen Scharen strömten die Menschen vom Bahhof Helpup in Richtung Alter Krug.

Zeitzeugin Anna Waldhecker sowie ihre Schwägerin Anna Räker vom Räkerhof und Wilhelm Rüter

erzählten Anfang der 70er Jahre des Öfterin mit großer Begeisterung von diesem Großereignis.

1914 bis 1918

1. Weltkrieg

1918 - 1923

Krisenjahre - Geldentwertung

Das Foto zeigt eine Reichsbanknote vom 15. Oktober 1923

1924 bis 1928 "Goldenen Zwanziger"

Weltweiter Wirtschaftsaufschwung in allen Lebensbereichen, auch im Gebiet Helpup.

Das Foto zeigt die Umwandlung der damaligen Dorfstraße,

die heutige Bahnhofstraße.

1926 - 1927

Umbau des Fachwerkgebäudes Alter Krug

Die Deele mit Pferdeställen und Teile des Bodens wurden umfangreich umgebaut

wie wir es heute noch unverändert vorfinden.

Der hintere Teil der umgebauten Deele wurde bis Anfang der 1950er Jahre  vermietet.

Die Amtssparkasse Oerlinghausen und Albrecht Ober, Amtsvorsteher der Bauerschaft Währentrup

waren in getrennten Räumen mit Zugang vom Flur untergebracht.

Das linke Gemälde von H. Diekmann 1921 zeigt das Fachwerkhaus vor dem Umbau

und das rechte Gemälde mit dem 15-jährigen Sohn Karl Waldhecker von Marg. Krieger 1928 nach dem Umbau.

Der Torbogen

erinnert nach dem Umbau

noch an den Bau des Fachwerkgebäudes 1830

1928

Kolonialwarenhandlung und Gastwirtschaft

Der gegenüber dem Schankraum bereits vor dem Umbau vorhandene Laden für die Versorgung

der Bürger im Gebiet Helpup mit Grundnahrungsmitteln und anderen Gebrauchsgütern

des täglichen Bedarfs im Haushalt  wurde von Anna Waldwecker in alter Tradition bis in die 50er Jahre

weitergeführt. Daher führt dieser Raum bis in die heutige Zeit den Namen Laden.

Zucker, Mehl, Salz, Milch und mehr wurde als lose Ware verkauft.

Die Kunden brachten Behälter, Töpfe usw. von zu Hause mit.

Glas, Porzellan und Haushaltswaren lieferte

über Jahrzehnte der Handelsbetrieb Geb. Pauly aus Bad Driburg.

Mehmals im Jahr übernachtete Herr Pauly in den 20er Jahren mit seinem Pferdegespann im Krug

und schlief im Nahbereich seiner Pferde im Stroh.

Für das leibliche Wohl hatte er sein eigenes Butterbrot dabei.

Die Verkaufstheke mit zahlreichen Schubfächern ist heute noch vorhanden und lagert auf dem Boden.

Seniorchef Pauly berichtete in den 70er Jahren noch mit Begeisterung über zahlreiche Anekdoten.

Wie in all den Jahren zuvor hatte er sein eigenes Butterbrot dabei. Der Kaffee wurde serviert.

Milchhändler Kessemeier

lieferte über mehrere Jahrzehnte bis in die 60er Jahre täglich frische Milch in großen Kannen von

Gut Wistinghausen in den Kolonialwarenhandel von Anna Waldhecker.

Die Pferde hielten von ganz alleine vorm Alten Krug.

Während die Pferde in aller Ruhe draußen warteten, konnte er ebenfalss in aller Ruhe ein von

Karl Waldhecker  frisch gezapftes Bier genießen.

1929

Backstube und Laden für Backwaren

Carl Waldhecker baut auf seinem Grundstück neben dem Kruggarten ein Wohnhaus

mit eigener Backstube und Laden für Backwaren

mit Zugang von der Dorfstraße.

Die Krugwirtschaft  wurde für fünf Jahre vom 1. September 1929 bis zum 30. August 1934

in eigener Verantwortung von Carl Schröder betrieben.

Das neuerbaute Haus auf dem Grundstück Parzelle 525/143 Währentrup 103

wurde 1938 in Absprache mit der Reichssiedlungsgesellschaft im Zuge der Erweiterung

des Militärgeländes an Frau Poppe aus Haustenbeck verkauft.

Backofen und Zubehör wurden im Alten Krug untergebracht bzw. weiterverwendet.

1930

Jubiläum 100 Jahre Fachwerkbau Alter Krug

Anläßlich dieses Jubiläums erstellt August Reuter, Bürgermeister Stadt Oerlinghausen

eine Dokumentation über die Geschichte der Krugwirtschaft.

Das erste Auto vor dem Landgasthaus Alter Krug steuerte Erich Dürkkopp.

1933 bis 1945

Nationalsozialismus

1. September 1934

Unterstützung von Sohn Karl Waldhecker im Geschäftsleben

bereitet große Freude im engsten Familienkreis.

Karl Waldhecker machte nach seinem Abitur am

"Christian Dietrich-Grabbe-Gymnasium in Detmold

1933 / 1934 eine gründliche Ausbildung  in Hannover  im Restaurant

"Brauerei Gildenhaus".

Ein schönes und unbeschwertes  Arbeits- und Familienleben erlebte Karl im elterlichen Betrieb

und im Urlaub zusammen mit den Eltern auf Borkum und Norderney.

Interessante Bademode in den 30er Jahren.

1939

 Sohn Karl mußte am 6. Februar 1939

seinen Militärdienst antreten.

Aufzeichnungen über Ereignisse und Veranstaltungen

während der Nazizeit im Alten Krug

 sind beim Einzug Amerikanischer Truppen und anschließender Hausbesetzung abhanden gekommen.

Zeitzeugin Anna Waldhecker

 erzählte 1971 noch sehr betroffen über persönliche und schreckliche Erlebnisse

mit örtlichen Nazigrößen, insbesondere über den Umgang mit einer befreundeten

Jüdischen Unternehmerfamilie aus Bielefeld.

1942

Eheschließung Karl und Leni

  1943 wurde Bärbel geboren und 1944 Ulrike.

Frei von den Kriegswirren konnten Bärbel und Ulrike im Wirtschaftsgarten Alter Krug

mit hoher Einfriedigungsmauer sowie bei den Großeltern in der Heerser Mühle in Schötmar

unbeschwert ihr Leben als Kleinkind ohne Vater genießen.

Die Heerser Mühle mit Landwirtschaft und Tieren sorgte für Ablenkung

vor allem der Hühnerstall mit zeitweise kleinen Küken.

1945

Einzug Amerikanischer Truppen

Dank besonnener Bürger wurden aufgebaute Panzersperren

im Bereich Kirche, Schule und Alter Krug wieder entfernt.

Beim Einmarsch der Amerikaner wurden dadurch Panzereinsätze verhindert.

Leider kamen jedoch beim Einmarsch mehrere Menschen ums Leben.

Vier noch sehr junge Soldaten starben direkt vor dem Alten Krug in den Armen von Carl Waldhecker.

Sechs Grabsteine auf dem Helpuper Friedhof sind Zeugen aus der Osterzeit 1945.

Hausbesetzung Alter Krug

Amerikanische Soldaten besetzten für längere Zeit das gesamte Anwesen Alter Krug.

Familienangehörige mußten das Haus verlassen und wurden bei Tante Anna auf dem Räkerhof,

Gut Wistinghausen und in der Heerser Mühle untergebracht.

1949

Sohn Karl kehrte imHerbst 1949

 aus fünfjähriger Gefangenschaft in Sibirien nach Helpup zurück.

 Karl mußte wegen schwerer Hungerdystrophie noch längere Zeit ärztlich behandelt. 

Ein Arbeits- und Familienleben war erst Anfang der 50er-Jahre möglich.

Bis Ende der 50er Jahre im Kinofilme im Saal

Mit Hilfe eines Lichtbildprojektors

der im Wohntrakt über dem Vorsaal aufgebaut war, konnten Filme durch ein Fenster

auf einer großen Leinwand vor der Saalbühne projektiert und gezeigt werden.

Zeitzeugen sprechen von Filmen wie:

"Rommel der Wüstenfuchs", "Grün ist die Heide", im "Weißen Rößli" und mehr...

1949

Auf nach Helpup!

2. Bezirks-Ziegenschau

Das Plakat ist ein Geschenk von Friedel Heißenberg aus Mackenbruch.

Bärbel und Ulrike hatten die Ziegenschau im Saal noch in guter Erinnerung,

vor allem den starken Geruch der Ziegenböcke.

 Verteilt auf alle Räumlichkeiten des Haus war der Duft der Ziegenschau noch tagelang zu riechen.

1950

Vertrag mit dem Landesstraßenbauamt

Landabgaben im Zuge der Neugestaltung Bundesstraße B 66

Für die weitere Entwicklung der Traditionsstätte Alter Krug  nach erhoffter Genesung

der Krankheitsfolgen seines Sohnes Karl wurde in einem Kaufvertrag

zwischen  Carl Waldhecker und dem Landesstraßenbauamt Detmold am 3. Mai 1950

festgelegt zu welchen Bedingungen die Landabgabe

eines Teils der Gartenwirtschaft am Gebäudetrakt Alter Krug sowie des Obstgartens

auf der gegenüberliegenden Straßenseite für die Neugestaltung der Bundesstraße erfolgen soll.

Bau von zwei Geschäftshäusern entlang der Einfriedigungsmauer

am westlichen Teil des Kruggartens

Nach langen Diskussionen wurden Carl und Anna Waldhecker vom Architekten Wilhelm Nedderhof überredet das Gelände  für den Neubau von zwei Geschäftshäusern zu verkaufen.

Die Zufahrt führt entlang des ehemaligen Grundstücks von Carl Waldhecker, Währentrup Nr. 103

Hierfür wurde ein Wegerecht im Grundbuch eingetragen.

Der ehemalige Kruggarten wurde im Laufe der Jahre mit Schotter aufgefüllt

und als Park- und Veranstaltungsplatz genutzt. Eine Neugestaltung des Platzes erfolgte 2001.

1952

Neubau Schlachterei Wilhelm Sieveke

Nach Abriß des Schießstandes entlang der Einfriedigungsmauer am westlichen Kruggarten

wurde nach den Plänen von Architekt Wilhelm Nedderhof die Schlachterei mit Laden gebaut.

Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Schlachtung von heimischen Tieren

wurden mit großem Erfolg über mehrere Jahrzehnte im Laden verkauft.

1953

Neubau Hutgeschäft Rudolf Biermann

Leider wurde das  Gebäude, wie spätere Bodensenkungen belegen,  zum Teil auf dem Gelände

des ehemaligen Braubrunnes gebaut.

Als zweites Geschäft eröffnete Rudolf Biermann sein Hutgeschäft mit hochwertigen Hüten und mehr.

Nach dem Tod der Eltern versorgt Helga Biermann-Wrona  bis in die heutige Zeit  ihre treuen Kunden. Hervorzuheben  ist dabei die Ausrüstung der Schützenvereine rund um Helpup

mit Schützenhüten und vor allem Schützenfedern.

1955

Jubiläum 125 Jahre Fachwerkbau

Im Wirtschaftsgarten wurde eine Altdeutsche Bauernstube mit alten Möbeln

und Petrolium-Beleuchtung und im Saal eine Weinstube eingerichtet.

Wein wurde in alten Maßkrügen ausgeschenkt und Bier nach alter Rezeptur aus einem

Selbstschenker (10 Liter Inhalt) in alten Henkelgläsern.

zum Jubiläum wurde eine in Leder gebundene Speisen- und Getränkekarte

mit Werbeseiten für 20 heimische Lieferanten und Handwerker  erstmals präsentiert.

Programm an drei Jubiläumstagen

vom 6. bis 8. August 1955

Sonnabend

"Tanz und Frohsinn"

Sonntag

Platzkonzert zum Auftakt

Sonntagnachmittag

Feierliche Übergabe der neuen Feuerwehrfahrzeuge an die Freiwillige Feuerwehr Helpup

Der MGV Liedertafel Helpup und MGV Frohsinn Kachtenhausen

erfreuten die Gäste im vollbesetzten Saal mit den schönstenVolksliedern

Montag

Großer Jubiläumsball in allen Räumen

Ende August 1955 verstarb Carl Waldhecker

kurz vor seinem 69. Geburtstag

Nach dem plötzlichen Tod des Vaters wird das Traditionsgasthaus Alter Krug nunmehr

von Sohn Karl nach völliger Genesung von den Folgen der Kriegsgefangenschaft in Sibirien

gemeinsam mit seiner Ehefrau Leni Waldhecker und seiner Mutter Anna Waldhecker weitergeführt.

16. Mai 1957

Einfriedigungsmauer Gartenwirtschaft Alter Krug entlang der Bundesstraße B 66

In einem Nachvertrag des Landesstraßenbauamtes am 16. Mai 1957 mit Witwe Anna Waldhecker

wurde gemeinsam erklärt:

"Die massive Einfriedigungsmauer wird beseitigt und dafür von der Straßenverwaltung hinter der

demnächstige neuen Straßengrenze eine massive Einfriedigungsmauer mit Abdeckplatte aus Naturstein

in 1 Meter Höhe über Straßenkante neu errichtet. Die alte Mauer hat eine Höhe von 1,55 Meter.

Die auf dem nördlich der Straße veräußerten 3 Kastanienbäume und Ziersträucher sind vor der Übergabe

des Grundstückes an den Käufer abzuschätzen und neben dem Grundstückskaufpreis besonders zu entschädigen. Ebenso entschädigt der Käufer entstehenden Ernteausfall nach Sachverständigen Gutachten.

Die Straßenbauverwaltung verpflichtet sich , die neue Einfriedigungsmauer am Wirtschaftsgarten des Verkäufers sofort nach Abbruch der alten Mauer wieder herzustellen, damit der Garten geschlossen bleibt.

Das an die Straßerverwaltung veräußerte Grundstück hat jetzt die

Flurstücksnummer 114."

Genehmigt und Beglaubigt im September 1957

25. September 1957

Erneute Nachverhandlung zum bestehenden Vertrag

mit erheblichen Änderungen und Einschnitten im Wirtschaftsgarten endeten.

Ende der Gartenwirtschaft nach knapp 50 Jahren!

Die Einrichtungsmauer wurde nie gebaut.

Die tatsächliche Gestaltung des Grenzverlaufs entlang der Bundesstraße B66 einschließlich

Tunnelanlage führte nach knapp 50 Jahren Nutzung zur Schließung des Wirtschaftsgartens Alter Krug.

Das Verhalten der Behörden im Kreis Lippe und einigen Ratsmitgliedern der jungen Gemeinde Helpup

trug nicht zur Glaubwürdigkeit und Vertrauensbildung bei.

Bürgermeister Ewald Berkemeier konnte damals leider nicht den Bau einer Verkehrsampel als

Übergang zur Schule und Kirche anstelle der Tunnelanlage nicht durchsetzen.

Mißachtung des Denkmalschutzes!

Die Beseitigung der alten Einfriedigungs entlang der Bundesstraße B 66

war ein tiefer Einschnitt in den Denkmalschutz

9. April 1959

Neuverhandlung zum ursprünglichen Nachvertrag vom 25.09.1957 endete am 9.04.1959 nach mehreren Verhandlungsstunden und viel Schriftverkehr mit einem Kompromiss, dass zu Lasten der Bundestraßenverwaltuung eine Entwässerungspumpe im bis 1957 trockenen Keller installiert wird.

Wie  die Jahre danach zeigen war dieser Kompromiss keine faire und gute Lösung gegenüber der

Witwe Anna Waldhecker, denn die Beseitigung sämtlicher Drainagerohre bei Tunnelbau sorgte  immer

wieder zu erheblichen Ärger bei der Entwässerung auf der südwestlichen Aeite des Anwesens.

Für Helpup rund um Kirche und Schule wäre es besser gewesen,

wenn anstelle des Ausbaues der Bundesstraße  in den 50er-Jahren eine Umgehungsstraße südlich von Kirche

und Schule entlang führen.

Weitsicht und Fairnis

war leider noch nie die Stärke von Politikern!

1959

Antragstellung von Karl Waldhecker auf Denkmalschutz Alter Krug

 Erstmals wurden 1959 Arbeiten am Fachwerbau und Nebengebäuden Alter Krug

im Eivernehmen des Landeskonservators von Westfalen in Münster durchgeführt.

1962

folgte der Eintrag im Grundbuch

Blatt 2903. Flur 2.

Denkmalschutz Alter Krug

60er  Jahre

Bahnhof  Helpup

Gute Anbindung bis Bielefeld - Münster und Altenbeken

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© August Rettig